Lerche oder Eule? Für Joanna Zybon ist das nicht natürlich die wichtigste Frage, aber eine typische. »Ich helfe den Leuten herauszufinden, was für ein Typ sie eigentlich sind«, sagt die 48-Jährige, selber auf Umwegen zum Sport gekommen. Läuft man also gerne morgens oder ist man eher nachtaktiv wie eine Eule? Studiert hat Zybon einst Religionspädagogik. Heute bietet sie Lauftrainings unterschiedlichster Art an: In den ersten Monaten eines jeden Jahres den Halbmarathon- Vorbereitungskursus. Aber um Bestzeiten geht es nicht.
Im Volkspark Rehberge ist der Laufkursus an diesem Samstag - was die Tageszeit angeht - quasi mittendrin. In den Mittagsstunden drehen elf Frauen und ein Mann für mehr als zwei Stunden Runden durch den Volkspark. »Jetzt mal Ruhe bitte! « Zybon muss mitunter energisch sein. »Wir sind heute Jäger und Sammler und sammeln in der ersten Pause Holz.« Erkennungszeichen sind farbige Ausdrucke mit Bildern von Fred Feuerstein & Co., die Zybon im Volkspark platziert hat.
JOANNA ZYBON
Seit 1981 wohnt die 48- Jährige, gebürtig aus Oberschlesien, in Berlin. Zybon studierte Religionspädagogik in Paderborn, dann folgte die Ausbildung zur Lauftherapeutin am Deutschen Lauftherapiezentrum in Bad Lippspringe. Sie bietet »Personal- Training« und Gruppenläufe für Anfänger und Fortgeschrittene an.
Los geht es am Friedhof St. Johannis und Heiland durch eine Kleingartenanlage. Es wird viel geredet. »Es gibt ja auch viel zu erzählen«, sagt Zybon, die jeden Teilnehmer »betütelt«, wie sie es nennt. Die Läuferinnen sind zwar keine blutigen Anfänger, aber langsam unterwegs und lassen sich gerne »betüteln«. »Heute joggen wir halt wie unsere Vorfahren in der Steinzeit durch die Landschaft, immer auf der Suche nach Nahrung.« Und da muss schon mal ein Müsliriegel gefunden werden. »Manchmal sind wir auch albern, aber das hilft, die Strecke zu bewältigen.«
»ICH MACHE HIER MIT, WEIL ICH FÜR DAS WOCHENENDE VOR ALLEM AN KÜHLEN TAGEN EINE MOTIVATIONSSPRITZE BRAUCHE«
Florian (33)
»ICH SCHAUE ÜBERHAUPT NICHT AUF LAUFZEITEN. SPASS HABEN UND FREUNDE TREFFEN STEHEN FÜR MICH AN ERSTER STELLE«
Alexandra (40)
Die Halbmarathon-Vorbereitung ist nur ein Standbein in Zybons Geschäftsmodell. Sie ist in erster Linie Personal-Trainer. Ob Managerin, Politiker oder spätberufener Anfänger: »Wer lange keinen oder nie Sport gemacht hat, der macht viele Fehler, die schnell den Spaß nehmen«, möchte sie ihre »Kunden « behutsam anleiten. Zum Beispiel im Tiergarten, wo Zybon gerne die Treppen unter der Siegessäule nutzt. »Ich nenne das meine Fitnesskatakomben«, sagt die Dauerläuferin lachend. »Wenn du die 180 Stufen dreimal machst, sparst du dir den Stepper im Fitnessstudio.«
Seit 2012 ist sie auch Trainerin in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee. Ein harter Kontrast zum Joggen in der City. Zumal die Strecke im JVA-Innenhof nur 377 Meter lang und kantig ist, unterbrochen von einer Tür. Jeweils zwei Gruppen an zwei Tagen in der Woche betreut sie. »Die Jungs sind meistens sehr motiviert«, die Nachfrage ist groß. Manche kommen auf Joanna zu und erklären, sie seien eigentlich keine richtigen Verbrecher, hätten nur Steuern hinterzogen. »Aber es kümmert mich nicht, was sie angestellt haben.«
Seit 2012 ist sie auch Trainerin in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee. Ein harter Kontrast zum Joggen in der City. Zumal die Strecke im JVA-Innenhof nur 377 Meter lang und kantig ist, unterbrochen von einer Tür. Jeweils zwei Gruppen an zwei Tagen in der Woche betreut sie. »Die Jungs sind meistens sehr motiviert«, die Nachfrage ist groß. Manche kommen auf Joanna zu und erklären, sie seien eigentlich keine richtigen Verbrecher, hätten nur Steuern hinterzogen. »Aber es kümmert mich nicht, was sie angestellt haben.«
»ICH BIN ÜBER DEN NEWSLETTER DER AOK ZUM NULL-MINUTEN-LAUF GEKOMMEN. DER START IN DER GRUPPE IST MOTIVIERENDER.«
Birgit (45)
»ICH FÜHLE MICH GUT IN DER GRUPPE UND MÖCHTE WIEDER HALB-MARATHON LAUFEN. VIELLEICHT ETWAS BESSER ALS LETZTES MAL.«
Andrea (43)
Die ersten sechs Kilometer im Volkspark Rehberge sind ruckzuck zurückgelegt. Kurze Toilettenpause, dann ist die Gruppe schon wieder im Zentrum des Parks, auf stufigem Terrain am Carl Leid Weg, benannt nach jenem Bürgermeister von Wedding, in dessen Amtszeit der Volkspark in den 20er Jahren gestaltet wurde. Nach 16 Kilometern, mehreren Wunderkerzen und einigen Müsliriegeln ist das Trainingswerk vollbracht. Nicht alle haben eine dritte Runde durch den Park gedreht. Aber alle wollen den Halbmarathon schaffen, egal ob sie eher Lerche oder Eule sind.
Andreas Mühl
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