Wenn es überhaupt etwas gibt, das die Leistung der Läuferin Sigrid Eichner begreifbar macht, dann ist es ein Blick in ihr Büro. An der Wand neben ihrem Schreibtisch hat die 77-Jährige Medaillen aufgehängt. Es sind derart viele, so eng an eng, dass die weiße Tapete kaum mehr zu sehen ist. Man wähnt sich in einer Ausstellung, einem Museum. Kaum zu glauben, dass dies die Errungenschaft, das Laufwerk eines einzelnen Menschen sein soll. Gegenüber auf einem Regal stehen Pokale, kleine und große, vielleicht zwei Dutzend. Die größte Trophäe ziert die Zahl 2000.
»Den Pokal habe ich nach meinem 2000. Marathon überreicht bekommen«, sagt Gisela Eichner. Es war die bisher letzte Schallmauer, die sie im Juli 2016 durchbrochen hat. Inzwischen sind schon weitere knapp hundert Marathons oder Ultramarathons hinzugekommen. Warum man so etwas tut? »Ich will gewinnen, sonst würde ich da nicht hinfahren«, stellt Eichner klar. In ihrer Altersklasse, versteht sich.
Dass die gebürtige Dresdnerin erst mit 40 Jahren angefangen hat, an Laufwettbewerben teilzunehmen, macht ihre Geschichte unglaublicher. »Ich habe immer schon Sport gemacht, war Übungsleiterin für Frauengymnastik, aber mit dem Laufen habe ich erst begonnen, als ich nach Berlin gekommen bin«, erzählt Eichner. Ihr Mann sei zu dieser Zeit häufig auf Montage gewesen, sie dagegen allein mit den drei Kindern, allein mit dem Stress. »Laufen war für mich Zeit, in der niemand Mama geschrien hat, Zeit für mich.«
Dass die gebürtige Dresdnerin erst mit 40 Jahren angefangen hat, an Laufwettbewerben teilzunehmen, macht ihre Geschichte unglaublicher. »Ich habe immer schon Sport gemacht, war Übungsleiterin für Frauengymnastik, aber mit dem Laufen habe ich erst begonnen, als ich nach Berlin gekommen bin«, erzählt Eichner. Ihr Mann sei zu dieser Zeit häufig auf Montage gewesen, sie dagegen allein mit den drei Kindern, allein mit dem Stress. »Laufen war für mich Zeit, in der niemand Mama geschrien hat, Zeit für mich.«
»ZWISCHEN 1979 UND HEUTE HABE ICH IN LAUFSCHUHEN VIERMAL DIE ERDE UMRUNDET«
Ihr erster Wettkampf überhaupt, 1979 in Wernigerode im Harz, ging schon über 40 Kilometer. Bald habe sie alle Laufveranstaltungen mitgenommen, die die DDR zu bieten hatte, darunter den Rennsteiglauf über 45 Kilometer und die 100 Kilometer von Kienbaum. »Ich habe nie einen Trainer gehabt und nie eine bestimmte Zeit als Ziel«, betont Eichner. Ihre Marathon- Bestzeit von 3:22:05, aufgestellt 1986, kann sich allerdings mehr als sehen lassen.
Mit der Wende ergaben sich dann ganz andere Möglichkeiten. »Für den Etappenlauf Genf-Basel bin ich 1990 sogar mit dem Fahrrad in die Schweiz gefahren«, erinnert sie sich. 1994 bewältigte sie den Spartathlon über 232 Kilometer von Athen nach Sparta innerhalb des vorgeschriebenen Zeitlimits von 32 Stunden. 2003 lief Eichner sowohl den Sahara-Ultra über 200 Kilometer, als auch das Transeurope-Footrace in 44 Etappen von Lissabon nach Moskau – eine 3000-Kilometer-Strecke. Die Liste ihrer Teilnahmen ist natürlich weitaus länger. Eichner führt genauestens Buch darüber, jedes Jahr hat seinen eigenen Ordner.
All ihre Erfolge zu würdigen, ist unmöglich. Herausragen dennoch die zwei Teilnahmen (2004 und 2006) der Berlinerin am Grand Raid, der 140 Kilometer langen Querung von La Réunion über Gebirgspfade in tropischer Hitze mit 8000 Höhenmetern in drei Tagen. Außerdem Eigners Zielankunft beim Badwater Ultramarathon, einem Lauf über 217 Kilometer unter anderem durch das Death Valley in Nevada und Kalifornien mit 4000 Höhenmetern und Temperaturen von über 50 Grad. Eichner erreichte 2005 das Ziel nach 52:45 Stunden.
Mit der Wende ergaben sich dann ganz andere Möglichkeiten. »Für den Etappenlauf Genf-Basel bin ich 1990 sogar mit dem Fahrrad in die Schweiz gefahren«, erinnert sie sich. 1994 bewältigte sie den Spartathlon über 232 Kilometer von Athen nach Sparta innerhalb des vorgeschriebenen Zeitlimits von 32 Stunden. 2003 lief Eichner sowohl den Sahara-Ultra über 200 Kilometer, als auch das Transeurope-Footrace in 44 Etappen von Lissabon nach Moskau – eine 3000-Kilometer-Strecke. Die Liste ihrer Teilnahmen ist natürlich weitaus länger. Eichner führt genauestens Buch darüber, jedes Jahr hat seinen eigenen Ordner.
All ihre Erfolge zu würdigen, ist unmöglich. Herausragen dennoch die zwei Teilnahmen (2004 und 2006) der Berlinerin am Grand Raid, der 140 Kilometer langen Querung von La Réunion über Gebirgspfade in tropischer Hitze mit 8000 Höhenmetern in drei Tagen. Außerdem Eigners Zielankunft beim Badwater Ultramarathon, einem Lauf über 217 Kilometer unter anderem durch das Death Valley in Nevada und Kalifornien mit 4000 Höhenmetern und Temperaturen von über 50 Grad. Eichner erreichte 2005 das Ziel nach 52:45 Stunden.
»Wenn ich meine Laufleistung von 1979 bis heute nehme, dann habe ich in Laufschuhen viermal die Erde umrundet «, sagt Eichner. Um sich die Reisen zu diversen Veranstaltungen leisten zu können, muss sie ihre Rente durch Arbeit aufbessern. Denn 80 Marathons pro Jahr – wie zuletzt 2017 – sind nicht nur physisch eine Herausforderung, auch finanziell. »Im Schnitt rechne ich mit 120 Euro pro Marathon«, erklärt Eichner. Und weil die Läufe längst zu ihrem Lebensinhalt geworden sind, versucht sie ansonsten sparsam zu leben. Abgenutzte Laufschuhe bringt sie zum Besohlen, »das kostet zwölf Euro pro Paar«.
Eichners Saison 2018 wird aussehen wie immer: am Samstag einen Marathon, am Sonntag einen Marathon, dann Ausruhen bis zum nächsten Wochenende. »Trainieren muss ich nicht, unter der Woche regeneriere ich«, sagt die 77-Jährige. Denn die extreme körperliche Belastung führt auch ihren Körper an Grenzen. Seit einer Rücken-OP begleiten sie vier Schrauben in der Lendenwirbelsäule. »Leider laufe ich seitdem etwas nach vorne gebeugt und habe keinen schönen Laufstil mehr«, bedauert Eichner. Das Entscheidende sei aber ohnehin das Ankommen, etwa beim diesjährigen Berlin- Marathon – ihrem 21. – oder ihrem siebten Mauerweglauf (siehe Kasten). »Solange ich noch gern gesehen werde, gehe ich an den Start.«
Eichners Saison 2018 wird aussehen wie immer: am Samstag einen Marathon, am Sonntag einen Marathon, dann Ausruhen bis zum nächsten Wochenende. »Trainieren muss ich nicht, unter der Woche regeneriere ich«, sagt die 77-Jährige. Denn die extreme körperliche Belastung führt auch ihren Körper an Grenzen. Seit einer Rücken-OP begleiten sie vier Schrauben in der Lendenwirbelsäule. »Leider laufe ich seitdem etwas nach vorne gebeugt und habe keinen schönen Laufstil mehr«, bedauert Eichner. Das Entscheidende sei aber ohnehin das Ankommen, etwa beim diesjährigen Berlin- Marathon – ihrem 21. – oder ihrem siebten Mauerweglauf (siehe Kasten). »Solange ich noch gern gesehen werde, gehe ich an den Start.«
Arne Bensiek
FOTOS Arne Bensiek
MAUERWEGLAUF
Manche halten ihn für den schönsten Lauf Berlins – der längste ist er in jedem Fall.
Seit 2011 veranstaltet die LG Mauerweg den 161 Kilometer langen Mauerweglauf. Die inzwischen jährliche Veranstaltung – auch »100 Meilen von Berlin« genannt – soll an die Maueropfer erinnern. Das Rennen startet am 11. August um 6 Uhr morgens im Friedrich- Ludwig-Jahn-Sport-Park im Prenzlauer Berg. Im Uhrzeigersinn geht es für 350 Einzelstarter und 1000 Staffelläufer den Verlauf der einstigen Mauer entlang. Startplätze gibt es keine mehr, sie waren schon kurz nach Anmeldestart vergeben.
Auf der Strecke gibt es 27 Verpflegungspunkte, die einige nicht nur zum Essen und Trinken, sondern auch für ein kurzes Nickerchen nutzen. Anders als der Brite Mark Perkins, der seit 2015 den Streckenrekord von 13:06:52 Stunden hält – ein Schnitt von 4:53 Minuten pro Kilometer. Der Großteil des Teilnehmerfeldes läuft allerdings die Nacht durch und erreicht das Ziel in Prenzlauer Berg am Vormittag. Zielschluss ist am Sonntag um 12 Uhr nach 30 Stunden. Die Teilnahme kostet 189 Euro und beinhaltet eine Pasta-Party am Vorabend, Verpflegung, Finisher-Shirt und Medaille. »Auf die Medaillen prägen wir jedes Jahr das Konterfei eines anderen Maueropfers«, sagt Jörn Künstner, stellvertretener Vorsitzender der LG Mauerweg.
Auf der Strecke gibt es 27 Verpflegungspunkte, die einige nicht nur zum Essen und Trinken, sondern auch für ein kurzes Nickerchen nutzen. Anders als der Brite Mark Perkins, der seit 2015 den Streckenrekord von 13:06:52 Stunden hält – ein Schnitt von 4:53 Minuten pro Kilometer. Der Großteil des Teilnehmerfeldes läuft allerdings die Nacht durch und erreicht das Ziel in Prenzlauer Berg am Vormittag. Zielschluss ist am Sonntag um 12 Uhr nach 30 Stunden. Die Teilnahme kostet 189 Euro und beinhaltet eine Pasta-Party am Vorabend, Verpflegung, Finisher-Shirt und Medaille. »Auf die Medaillen prägen wir jedes Jahr das Konterfei eines anderen Maueropfers«, sagt Jörn Künstner, stellvertretener Vorsitzender der LG Mauerweg.
DER MAUERWEGLAUF
FOTO Jörg Carstensen